Von schwarzen Pulvern und grünen Pasten

Roland Ohneseit (rechts) und Berthold Büchele zeigten den Zuhörern des Vortrages auch Hinrichtungs- und Folterinstrumente.

Von schwarzen Pulvern und grünen Pasten

Vortrag in Ratzenried beschäftigt sich mit einem der letzten Hexenprozesse im Allgäu

Von Vera Stiller (13. September 2019)

ARGENBÜHL – Derzeit gibt es auf der Waldburg eine Hexenausstellung. In diesem Zusammenhang war der Vortrag von Heimatforscher Berthold Büchele zu sehen, der am Freitagabend 90 Besucher in das Foyer der Ratzenrieder Schule führte. Gestützt auf die 300 Seiten starke Niederschrift des Prozesses, der 1743 gegen Katharina Reitterin in Eglofs stattfand, trugen „Oberamtmann“ Roland Ohneseit und „Protokollant“ Berthold Büchele  im Dialog exemplarische Fragen und Antworten des Verhörs vor.

Obwohl das dunkle Kapitel der europäischen Hexenverfolgung mit dem Zeitalter der Aufklärung zu Ende ging, wurde erst 1944 der letzten Frau als „Hexe“ der Prozess gemacht. Und in Deutschland? Man schätzt, dass rund 25.000 Menschen aufgrund vermeintlichen „Hexenwerkes“ hingerichtet wurden. Bevor mit der in Kempten erfolgten Verurteilung von Anna Maria Schwegelin wegen Teufelsbuhlschaft 1775 symbolisch das Aus der Hexenverfolgung eingeläutet wurde, erregte das Verfahren gegen Katharina Reitterin aus Eglofs noch großes Aufsehen.

Ursula Wippich und Hermann Schwarz hatten die Prozessakten vor Jahren entziffert und in eine moderne Schrift übertragen. Der Geschichts- und Heimatverein Eglofs mit Karl Stiefenhofer gab diese Arbeit dann in einem Buch heraus. Und Berthold Büchele machte aus allem einen Vortrag, der sich ebenso informativ wie spannend gestaltete.

Bevor die Zuhörer in die wichtigsten Passagen des Prozessverlaufs eintauchen konnten, gab ihnen Büchele noch die Vita der „Reitterin“an die Hand, die im Laufe ihres Lebens „von der Giftmischerin zur Hexe“ wurde: 1709 geboren, 14 Jahre lang als Magd beschäftigt, mit 34 Jahren noch immer ledig. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung lebte sie bei der Familie der Ursula Brodterin, der Witwe ihres Vaters. Katharina genoss in Eglofs keinen guten Ruf. Wegen Unzuchtsvorwürfen war sie schon einmal inhaftiert worden. Dass sie außerordentlich religiös war, half nicht, ihr Ansehen zu heben.

Als im Jahr 1743 der Prozess eröffnet wurde – Katharina stand im Verdacht, zunächst die Stiefmutter, dann die beiden Stiefbrüder vergiftet zu haben – war Eglofs weitestgehend in die Grafschaft Traun-Abensberg integriert. Die Weigerung der Frau, sich zunächst gegen die ehrverletzenden Anschuldigungen zu verteidigen, wurde als implizites Geständnis aufgefasst. Doch beim ersten Verhör kam die Wende: Katharina Reitterin gestand nach wenigen Minuten, Stiefmutter wie Brüdern Gift gegeben zu haben. Die ungeliebte Stiefmutter wie einer deren Söhne war daraufhin gestorben.

Überrascht zeigte sich der „Schreiber“ nicht nur darüber, dass Katharina auswendig gewusst hatte, „was sie 27 Mal unter Beimischung von weißem Mäusegift gekocht haben will“ und die Taten „vieltausendmal bereute“, sondern was im Laufe der Verhandlung sonst noch alles ans Tageslicht kam. Hatte es zunächst keinerlei Hinweise auf Magie gegeben, so war plötzlich die Rede von einem Liebhaber, der sie angeblich geschwängert hatte. Es sei „ein liederlicher Mensch“ gewesen, so die Aussage Katharinas, „der kein Mensch, sondern der Teufel war“.

„Der Prozess, der alles andere als ein kurzer war, wandelte sich gegen die geständige Giftmörderin zum Hexenprozess, weil die Angeklagte selbst ihren ehemaligen Geliebten als den Teufel identifizierte“, erklärte Berthold Büchele. Im weiteren Verlauf hätten die Verhörenden Katharina immer wieder nachdrücklich aufgefordert, ihre Aussagen zu überdenken. Doch sie sei mit dem rasch abgelegten „Hexengeständnis“ den Mustern populärer Dämonologie gefolgt, die aus den Bekenntnissen des südwestdeutschen Raums seit dem 16. Jahrhundert bekannt waren.

Die Aussage lautete: Ein unbekannter Mann in grünen Kleidern begegnete ihr unter freiem Himmel, er forderte sie zur Prostitution auf, gab sich darauf als der Teufel zu erkennen und verlangte von ihr, einen Pakt abzuschließen. Danach habe er noch mehrfach Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt. Auch sei er nachts in ihre Zelle gekommen, um sie zum Selbstmord aufzufordern. Deshalb habe sie Rosenkranz und Kruzifix wie geweihte Amulette, die sie bei sich trug, abgerissen und von sich geworfen.

Ohne erkennbaren Druck seitens der Richter gestand Katharina Schadenszauber: Sie habe Vieh mittels eines schwarzen Pulvers, das ihr der Teufel gegeben habe, getötet. Dann berichtete sie ausführlich über einen Sabbat mit Wetterzauber, den Hexenflug mittels einer „grünen Fahrsalbe“ und die Kellerfahrt. Katharina wehrte sich dagegen, dass die Verhörenden das Wort „Hexe“ auf sie anwandten. Sie widerrief, verwarf den Widerruf wieder. Schließlich bestätigten und vertieften die Ermittlungen den Hexerei-Verdacht. Das Gutachten stellte der Wangener Ratsherr und Jurist Johann Baptist Wachter aus.

Die letzte hochrichterliche Entscheidungskompetenz lag beim Landesherrn. Von Wien aus bestätigte Graf Franz Joseph von Traun-Abensberg das Todesurteil. Die Hinrichtung erfolgte gemäß den Vorgaben der „Carolina für Giftmörder und Hexen“. Katharina Reitterin wurde mit glühenden Zangen gerissen, enthauptet und verbrannt. Als Strafverschärfung, vermutlich wegen des Verwandtenmordes, wurde ihr zudem die rechte Hand abgeschlagen.