Schloss Ratzenried

Schloss Ratzenried
Ansicht Südseite

Geschichte des Schlosses

Im Jahre 1453 kaufte die reiche Kaufmannsfamilie Humpiss aus Ravensburg, die dort auch mehrere Bürgermeister stellte, die Burg Ratzenried mit ca. 30 dazugehörenden Höfen um 4500 Gulden als Lehen des Klosters St. Gallen. Gleich ein Jahr später erreichten sie beim Kaiser in Wien die Niedere Gerichtsbarkeit über den Ratzenrieder Bezirk, und 1495 verlieh ihnen der Kaiser auch noch die Hochgerichtsbarkeit. Somit war die Herrschaft Ratzenried als eine Art Kleinstaat geboren.

Die Söhne des alten Humpiss, Hans und Jacob, erhielten vom Kaiser den Adelstitel und nannten sich nun "von Ratzenried". 1498 teilten sie die Herrschaft in 2 Hälften: Jos baute das Obere Schloss um 11.000 Gulden zur größten Dienstmannenburg des Allgäus aus. Sein jüngerer Bruder Jacob aber baute im Dorf, das damals noch Wetzelsried hieß, an der Stelle des Maierhofes von Wetzelsried ein neues Schloss. 1502 war der Bau dieses Schlosses vollendet.

Jacob Humpiß konnte sich nicht lange an seinem neuen Schloss freuen, denn er starb noch im Jahr der Fertigstellung. Sein Sohn Sebastian wurde vom Onkel im Oberen Schloss in Obhut genommen, bis er volljährig war.

Im Bauernkrieg (1525) wurde das Schloss geplündert. Die Söhne von Sebastian, Reinhard und Hans Jacob, teilten 1558 ihre Herrschaftshälfte noch einmal in 2 Hälften. Da Reinhard v. Ratzenried aber kinderlos starb, wurden die beiden Hälften wieder vereinigt. Ab 1605 regierte hier nun Jos Ludwig von Ratzenried, der auch den Titel "kaiserlicher Kammerherr" trug und Kammerpräsident des Fürstbischofs von Konstanz sowie dessen Obervogt in Meersburg war.

 

1632 eroberten und zerstörten die Schweden das Schloss zusammen mit dem Dorf und dem Oberen Schloss. Nach dem Aussterben der Oberschlosslinie wurde das Untere Schloss als Hauptsitz der Ratzenrieder Herren bis 1680 wieder aufgebaut, wobei Steine des Oberen Schlosses Verwendung fanden. Ab jetzt hieß das Dorf Wetzelsried Ratzenried.

 

Johann Franz Willibald v. Ratzenried, der für den Wiederaufbau des Schlosses gesorgt hatte, war Erbkämmerer der Bischöfe zu Konstanz, bischöflicher Rat und Obervogt von Meersburg sowie Mitglied im Ritterrat des Kantons Hegau-Allgäu. Sein Sohn Johann Anton Franz war zusätzlich Obervogt auf der Reichenau und Oberhofmarschall der Konstanzer Bischöfe und hatte in dieser Funktion bischöfliche Empfänge, Feste, Reisen und Jagden zu organisieren, war sozusagen bischöflicher Premierminister in diplomatischen Missionen und Beauftragter des Schwäbischen Bundes, so z. B. bei der Kaiserwahl in Frankfurt. Bei all diesen Aktivitäten war der Ratzenrieder Baron kaum mehr in seinem Heimatschloss, sondern lebte meist auf der Reichenau. Durch seinen Ratzenrieder Obervogt ließ er den Besitz verwalten, war Justizminister, Schul-, Wirtschafts-, Kirchen- und Gesundheitsminister in einem. 

 

1746 bis 1748 erstellte Baumeister J. G. Specht von Lindenberg den Nordflügel des Schlosses samt Nord-Türmchen und stuckierte die Decken. Gleichzeitig erhielt das Gebäude barocke Türen und Treppen.

 

1806 verloren - im Zuge der Napoleonischen Kriege und der Auflösung des Kaiserreiches - alle Ritterherrschaften und Grafschaften ihre bisherigen staatsartigen Rechte, und so war das Ende des Kleinstaats Ratzenried gekommen. Ratzenried wurde zunächst bayerisch, 1810 dann württembergisch.

1813 starb der letzte Freiherr von Ratzenried aus dem Geschlecht der Humpiss. Da er keine Kinder hatte, ging der Besitz an den Grafen Paul Joseph v. Beroldingen über, dessen Tante schon mit einem Ratzenrieder Freiherrn verheiratet gewesen war. Der Graf von Beroldingen wohnte aber selten in Ratzenried, denn er war königlich württembergischer Geheimer Rat und Gesandter zu Wien, sowie Kammerherr und Oberhofmeister der Königin von Württemberg. Ein Vogt verwaltete in dieser Zeit den Ratzenrieder Besitz.

Erst seit 1840 wohnten die Grafen von Beroldingen mehr und mehr in Ratzenried.

Um 1845 wurde das Schloss - der Mode der Zeit folgend - im mittelalterlichen Stil renoviert, der Hauptturm und andere Bauteile erhielten Zinnen. Gleichzeitig entstand westlich des Schlosses ein Park mit Springbrunnen.

Ölgemälde Schloss Ratzenried
Ölgemälde von Schloss Ratzenried

1902 heiratete die Gräfin Maria Immaculata von Beroldingen den Grafen Anton v. Waldburg-Zeil, und so kam das Schloss an diese Familie. Bald nach der Hochzeit (1904) ließ das Hochzeitspaar im neogotischen Stil einen Speisesaal erbauen, und die Schwester der Gräfin, Maria von Beroldingen, die eine namhafte Künstlerin war und im Nachbarhaus (Neubau) wohnte, verschönerte das Schloss durch Malereien, Schnitzereien und Jugendstilverglasungen, die heute noch zu sehen sind.

Am Ende des 2. Weltkrieges - im April 1945 - rückten die Franzosen ins Allgäu ein und besetzten am 29. April auch Ratzenried. Die 202. Compagnie Normandie nahm das Schloss in Besitz und richtete im barocken Anbau eine Offiziersmesse ein.

Zwischen 1902 und 1949 war das Schloss im Besitz der Familie Waldburg-Zeil.

1948 starb Graf Anton. Da der einzige Sohn, Franz Georg, Jesuit geworden war, verschenkte er das Schloss an den Borromäer-Orden, der hier ein Kindererholungsheim einrichtete. In Erinnerung an den Grafen wurde das Schloss "Antonius-Heim" getauft. Dieses Kindererholungsheim schloss 1973 die Tore.

 

1974 kaufte Norbert Güthling das Schloss, um es ab 1977 dem "Humboldt-Institut e.V." als Sitz einer Schule für Deutsch als Fremdsprache zu überlassen. Heute ist Ratzenried die zentrale Verwaltung für die ganzjährigen Kursorte Konstanz, Lindenberg, Bad Schussenried sowie neuerdings auch Berlin.

Nach der vorbildlichen Restaurierung durch Norbert Güthling verleiht das Schloss heute dem Dorfbild einen besonders malerischen Aspekt.

Über dem Hauptportal zeugen drei Wappen von der wechselvollen Geschichte des Schlosses: die Wappen der Familien Humpiss-Ratzenried (1680), der Beroldingen und der Familie Güthling (1981).

 

Ein Kurzfilm über das Schloss (bitte bestätigen: Inhalt in einem neuen Fenster öffnen) führt die Schönheit dieses Ratzenrieder Wahrzeichens vor Augen. 

Das Copyright zu diesem Film liegt beim Tübinger Zentrum für Medienkompetenz, Lehrforschungsprojekt "Die Humpis in Barcelona", 2015

Schloss Westseite

Text: Berthold Büchele

Bilder: Hans Knöpfler

 

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