Paul Joseph von Beroldingen

Von Berthold Büchele

Paul Joseph von Beroldingen, Spross einer alten schweizerischen Adelsfamilie, wurde am 19.5.1754 in Gündelhardt (Thurgau) geboren. Erzogen von seinem älteren Bruder Joseph Anton Sigismund, Domherr in Speyer und Hildesheim, Freund Goethes und des Hl. Klemens Maria Hofbauer, trat Beroldingen nach einem Rechtsstudium in Göttingen in die Dienste der gefürsteten Propstei Ellwangen. Nach deren Aufgehen in Württemberg übernahm König Friedrich Paul Josef von Beroldingen in den Staatsdienst, ernannte ihn 1806 zum Geheimrat und Gesandten beim Wiener Hof und erhob ihn in den Reichsgrafenstand. 1807 erhielt er das Großkreuz des Württembergischen Zivil-Verdienstordens. 

Nach dem Tod des kinderlosen Freiherrn Franz Konrad von Ratzenried aus dem Geschlecht der Humpiss im Jahre 1813 erbte sein Neffe, Graf Paul Joseph von Beroldingen, das Schloss Ratzenried (Allgäu). Der Graf wohnte jedoch nur selten auf dem Schloss, da er als Geheimer Rat und Gesandter zu Wien, sowie Kammerherr und Oberhofmeister der Königin von Württemberg anderweitig gebunden war. 

Als Gesandter in Wien verstand es Beroldingen bis 1817, die württembergischen Interessen trotz der wechselnden politischen Konstellationen nachdrücklich zu vertreten gemäß seiner Politik einer engen Anlehnung an Österreich und eines vorsichtigen Abwartens gegenüber Frankreich. Bei König Friedrich und dem Kronprinzen von beträchtlichem Einfluss, gelang es ihm, die Kontinuität der württembergischen Beziehungen zu Österreich zu wahren, wobei man allerdings in Stuttgart manchmal Bedenken hatte, ob seine Österreich-freundliche Politik Württemberg nicht gegenüber Napoleon kompromittiere, und ihm deshalb einen selbständig berichtenden Beobachter beigab. Nach dem Regierungsantritt Wilhelms I. wurde Beroldingen 1817 1. Kammerherr der Königin Katharina (Katharina Pawlowna), später auch Oberhofmeister von Königin Pauline von Württemberg. Er nannte sich nun „Graf von Beroldingen, Herr zu Ratzenried, erster Kammerherr und Oberhofmeister ihrer Majestät der Königin von Württemberg, Großkreuz des Civil-Verdienstordens.“

Von 1815 bis 1819 war er Mitglied der Ständeversammlung des Königreichs Württemberg. Als Mitglied des Landtags unterzeichnete er die Verfassungsurkunde von 1819. Er hat wesentlich zur Stabilisierung der württembergischen Außenpolitik und des jungen Staatswesens beigetragen und damit seinem bedeutenderen Sohn Joseph Ignaz die Wege geebnet. 1818 ehrte man den Grafen Paul Joseph mit dem Kommenturkreuz des Ordens der württembergischen Krone. 

 

Gedenktafel unterhalb der Grafenempore

Paul Joseph war verheiratet mit Maria Josephine (1756–1801), Tochter des fürstlich ellwangischen Hofmarschalls Freiherr von Schwarzach, in zweiter Ehe mit Maximiliane Freiin v. Grünstein, Sternkranzordensdame und Oberhofmeisterin der königlichen Prinzessinnen. Er starb am 3.7.1831 in Stuttgart. In Ratzenried ertönte 8 Tage lang zwischen 11 und 12 Uhr das Trauergeläute. Unterhalb der Grafenempore befindet sich eine Gedenktafel.

 

Einer seiner Söhne aus zweiter Ehe, Graf Paul Ignaz von Beroldingen (1804-1875), übernahm nach dem Tod des Vaters 1831 die Herrschaft Ratzenried. Er war von Beruf Ingenieur und den landwirtschaftlichen und technischen Neuerungen seiner Zeit sehr aufgeschlossen: Er war Vorsitzender des um 1840 gegründeten landwirtschaftlichen Vereins für das Allgäu, ließ in der Neumühle eine sog. Kunstmühle mit eisernem Triebwerk, eine amerikanische Erfindung, erbauen sowie eine Sägemühle nach dem Plan eines New Yorker Ingenieurs, die erste ihrer Art in Württemberg. Ähnlich fortschrittlich war der Graf bei der Herstellung von damals neuartigen, hohlen Ziegelsteinen in seiner Ratzenrieder Ziegelhütte. Zur Fertigung derselben schaffte er eine in England entwickelte Maschine an, die damals in Deutschland noch kaum bekannt war. Die Steine erregten Aufsehen durch ihr leichtes Gewicht, ihre Dauerhaftigkeit und ihre gute Isolierfähigkeit. Er gründete die „Gräflich Beroldingische Schlossbrauerei“ in Ratzenried und baute eine Dampfmaschine ein. Außerdem renovierte er das Ratzenrieder Schloss im neugotischen Stil und ließ einen Schlosspark anlegen.

 

Ein anderer Sohn aus erster Ehe, Joseph Ignaz (1780-1868), war ein bedeutender Staatsmann und von 1823-1848 württembergischer Außenminister und enger Vertrauter König Wilhelms I.